Sagenhaft
Um das Fichtelgebirge ranken sich zahlreiche tragische, heitere oder unheimliche Sagen und Mythen von alten Burgen, hilfsbereiten Waldgeistern, magischen Schätzen, dämonischen Wesen und neckischen Kobolden.
Die Sagen des Fichtelgebirges zeigen altbekannte Orte in einem neuen, faszinierenden Licht.
Die Bummelhenker
Die Weißenstädter sind in der ganzen Region als die Bummelhenker bekannt. Dieser Name geht auf eine der berühmtesten Sagen des Fichtelgebirges zurück.
Auf der Mauer des Weißenstädter Kirchturms wuchs in vergangenen Zeiten viel Gras. Um es zu nutzen – sparsam war man seit eh und je – beschloss man im Stadtrat, es durch den Bummel, den Zucht-Stier der Gemeinde, abweiden zu lassen, da das Mähen zu umständlich wäre. Also warf man ein Seil über die Mauer, schlang es um den Hals des Tieres auf der anderen Seite und begann zu ziehen. Die Räte hatten zusammen mit dem Bürgermeister den Bummel halb in die Höhe gebracht, da streckte er die Zunge weit heraus. „Der schmeckt schon das Gras!“ rief ein gewitzter Bürger. Doch als man ihn endlich oben auf dem Mauervorsprung hatte, da rührte er sich nicht mehr – er war erstickt.
Die Weißenstädter aber hatten ihren Spitznahmen „Bummelhenker“ weg.
Die Geschichte ist auch heute noch an der Stadtmauer, neben unserem steinernen „Bummel“, nachzulesen.
Der Epprechtstein oberhalb von Kirchenlamitz
Alle Jahre einmal, jedoch an keinem bestimmten Tage, während der Pfarrer zu Kirchenlamitz das »Vater Unser« auf der Kanzel betet, hebt sich ein Fels und zeigt bis zum Schlusse des Gebets große Haufen Goldes. Mit dem Worte »Amen« senkt er sich nieder und verschlossen auf ein Jahr sind wieder die unermesslichen Schätze. War nun auch bis jetzt noch Niemand auserkoren, diesen glücklichen Augenblick zu treffen und etwas zu erhaschen, so erhielten doch Einige vor langer Zeit auf folgende Weise mehrere von den Reichtümern: Ein Hirte weidete einst unfern der Ruinen seine Herde und streckte sich sorglos auf den weichen Rasen. Plötzlich vernahm er ein Geräusch in seiner Nähe. Er blickte auf und gewahrte ein in sonderbare Kleidung gehülltes Mädchen, emsig beschäftigt, abgefallenes Laub mit seinem Rechen umzuwenden. Sie winkte dem Hirten freundlich. Als sich dieser schüchtern genaht hatte, steckte sie ihm alle Taschen voll Laub und verschwand. Ein unheimliches Grauen befiel den Hirten; er wandte sich zu seiner Herde und trieb dieselbe eiligst nach Hause. Bei den Seinigen angekommen, erzählte er den seltsamen Vorgang und griff dabei in die Tasche, um das Laub vorzuzeigen. Aber – wer beschreibt sein Erstaunen! – Aus jedem Blatt war ein großes blankes Goldstück geworden! – Wäre nicht bereits die Nacht vor der Türe gewesen, so wäre er schnurstracks wieder auf den Berg geeilt, um alles Laub, das er tragen könnte, zu holen. Diese Nacht ward ihm zur längsten seines Lebens, er konnte kein Auge schließen. Kaum graute der Morgen, so lief er, versehen mit einem großen Sacke, den Berg hinauf und nahte sich mit klopfendem Herzen den Ruinen; aber – Alles war verschwunden und nie in seinem Leben erschien ihm wieder die Gold spendende Frauengestalt.
Sage zum Ochsenkopf und zur Hankerlgrube
Hier sind es nun zwei Örtlichkeiten, welche in der Sage vorzügliche Berühmtheit erlangt haben, das Haupt des Gebirges, der Ochsenkopf, dann jene Gruben, welche südlich hin unter dem Namen der Hankerlgruben bekannt sind. Auf dem Ochsenkopf befindet sich nach der Sage eine Kapelle, die Geisterkapelle, gerade unter dem Felsen, welcher der Kirche von Bischofsgrün gegenüber liegt, gefüllt mit unendlichen Schätzen an Gold und Edelsteinen. Am Johannestage, wenn der Pfarrer von Bischofsgrün das Evangelium von der Kanzel herabverkündet, öffnet sich die Kapelle, um mit Ende des Evangeliums sich wieder zu schließen. Wehe dem, der dann die Frist übersieht: er wird zurückbehalten. Dagegen glücklich, der die kurze Zeit zu benützen wusste: er kehrt reich beladen heim. – An diesem Tage wächst dort eine einzige Blume ihrer Art: sie ist der Schlüssel zum Öffnen der Kapelle. Vor vielen hundert Jahren glückte es mehreren Landleuten der Gegend, sie zu finden und die Kapelle zu öffnen: sie konnten sich nicht satt sehen an den Herrlichkeiten drinnen; Altäre und Kanzel waren von Gold, die Säulen von Silber, mit Edelsteinen besetzt. – Einst regnete es an diesem Tage, und der Köhler wollte seine Kohlen retten und war in den Wald geeilt, als die Glocken eben zusammenläuteten. Da sah er die Kapelle offen, trat ein, und der Glanz eines goldenen Altares trat ihm entgegen. Er lief nach Hause, um Leute zu holen, allein das Läuten nahm ein Ende und der Köhler vernahm nur mehr das Zusammenstürzen der Kapelle.
Auf diesem Berge ist auch ein verwunschenes Schloss mit vielen Schätzen versunken. Wenn am Johannestag der Pfarrer das Evangelium liest und auslegt, steht es dem offen, der den Weg weiß: das Gold hängt wie Eiszapfen herab. – Einer fand eine schöne Blume und trug sie heim; zu Hause ward sie zum Schlüssel; er dachte, es wäre der Schlüssel zum Schlosse, ging an den Berg, kam in die Burg und packte alle Taschen voll Gold und Silber, bis Einer rief: »Mache, dass du fort kommst, vergiss aber das Beste nicht!« In Angst und Eile ließ er den Schlüssel stecken. Nächstes Jahr zur selben Zeit fand er wieder den Weg: er ging in die Burg und verspätete sich so, dass er ein Jahr lang eingeschlossen blieb. Doch dünkte es ihm gleich drey Tagen.
Sage zur Hölle auf dem Rudolfstein
Ein schlesischer Zecher.
Auf der nördlichen Abdachung des Schneeberges, des Nachbars vom Fichtelberg und Ochsenkopf, stand nach Weißenstadt zu auch eine Ritter- und Raubburg, der Rudolf- oder Rollenstein, dessen Stätte noch der Schlossberg genannt wird. Rudolf, ein Pfalzgraf in Franken, soll die Burg im Jahre 857 auf die Riesenfelsen, die Mauern, von Menschenhänden aufgeführt, gleichen, getürmt haben, andere nennen den Kaiser Rudolf aus Schwaben als Erbauer. Nicht weniger als zwölf bis vierzehn Raubburgen standen um Wunsiedel, deren Insassen den reisenden Kaufleuten gleich starken Gebirgswinden das Geld aus dem Busen bliesen. Räuber und Geister in trauter Gemeinschaft machten die unwegsame Gegend unsicher und weit verrufen, und eine Waldstelle unterm Rudolfstein, von grauenhaftem Felsgeklüft umstarrt, wird die Hölle genannt. Sie lag zwischen den Raubburgen Rudolfstein und Waldstein in der Mitte, und die Reisenden hatten all da oft mehr Pein von den verkappten Staudenhechtlern auszustehen als von den Waldgeistern und Höllenbränden, die sich in Gestalt feuerspeiender Untiere sehen ließen, während ein Prasseln vernommen ward, als ob der ganze Wald niederschmettere. Ein Jäger aus Sachsen, der den Geisterspuk in der Hölle noch nicht kannte, sah und verfolgte dort ein Wild, das zum Waldstein hinanflüchtete. Je höher er stieg, je mehr Wildes ward er ansichtig, aber alles floh vor ihm her in die Burgtrümmer hinein, keins kam ihm schussgerecht. Jetzt folgte auch er durch die Pforte – da mit einem Male umhüllte sich Fels und Mauer, Busch und Baum mit grauem Nebel, und im Burghof begann ein Brausen, Zetern, Knallen und Schellen, Bellen und Gellen, als sei die ganze Hölle los, Gekreisch und Gelächter, und der wilde Jäger zeigte sich ihm samt dem ganzen wilden Heere voll Sinne verwirrender Gestalten, bis er zu Boden stürzte und die Gedanken ihm gar vergingen. Als er erwachte, war es dunkel um ihn, und drunten in Reumersreuth schlug die Turmuhr zwölfe.
Die Ziegel vom Waldstein
Die schönste Trümmer auf und zwischen dem ungeheuren Felsenriesen im Fichtelgebirge ist der Waldstein, ehemals ein Sitz der Herren von Sparneck, die ringsum ihre Spartöpfe hatten, in denen sie fremder Leute Geld aufhoben, bis ihrem Treiben ein Ende mit Schrecken gemacht ward. – Ein armer Tagelöhner hieb einstmals Holz ganz nahe beim alten Gemäuer, das von der Burg Waldstein noch übrig, da trat zu ihm ein kleines Männlein, das war gar freundlich und reichte ihm einen Ziegelstein, indem es dem Mann durch Gebärden zu verstehen gab, den Ziegel mit nach Hause zu nehmen. Der Holzhauer war verdutzt und stand wie Butter an der Sonne; er sperrte das Maul auf und die Augen, drehte den Stein langsam in der Hand und beguckte ihn, und es fiel ihm endlich die große Frage ein: Warum soll ich den Backstein mit nach Hause nehmen? – und da sein hausbackener Verstand zu deren Beantwortung nicht ausreichte, so wollte er diese Frage an den Geber richten. Aber siehe da: das Männlein war verschwunden. Noch einmal wandte der Holzhauer den Backstein um und um und murmelte: Wenn’s ein Backsteinkäs wäre, ließ’ ich mir’s eher gefallen. So schmiert man sich Hand und Gewand an dem Dingrich rot und hat nichts davon, geh mir einer mit solchen Narrenspossen! Und damit warf er den Ziegel in die Büsche. Als er nach Hause kam, schrie ihn seine Frau ganz verwundert an: Jo Mo! Du gleißest jo schier wie a Speckschwartn! Host dich öpper im Feuer vergulden lossen? – Und da war aller Ziegelstaub, der an Händen und Kleidern haften geblieben war, purer Goldstaub. Hui, wie fix war jetzt der Holzhauer! Wie lief er wieder zum Waldstein hinauf! Wie suchte er im Gebüsch bis in die sinkende Nacht nach dem goldnen Ziegel! – Aber prosit die Mahlzeit, er fand ihn nimmer.